Liebe Mitglieder des Deutschen Altphologenverbandes,
liebe Freunde der Alten Sprachen,
amici linguarum antiquarum, φίλοι γλωσσῶν ἀρχαίων!
Mit Stolz und Freude blicken wir zurück auf eine abwechslungsreiche 100-Jahr-Feier unseres DAV in Berlin, für welche die Bundesbildungsministerin, Karin Prien, die Schirmherrschaft übernommen hatte mit einem Grußwort, das neben Sokrates und Seneca mit Aspasia auch eine weibliche Repräsentantin griechischer Paideia benannte (hier das vollständige Grußwort), und die von sommerlichstem Sonnenschein begleitet („DAV-Wetter“) und so zahlreich besucht war, dass die Freitagabendveranstaltung mit dem Rückblick auf die Anfänge unseres Verbandes sogar in einen größeren Raum an der Humboldt Universität zu Berlin verlegt werden musste als ursprünglich vorgesehen!
Kenntnisreich und luzide legte Ulrich Schmitzer, dem unser großer Dank für seine Recherchen und seine Einordnung in die Umstände der Zeit gilt, dar, wie es bereits damals um einen Abwehrkampf gegen Kräfte, welche den Bildungswert der Alten Sprachen infrage stellten, gegangen war – und Stefan Kipf zeigte uns auf, wie die Altphilologen und gerade der DAV es immer schaffte, den Wert des altsprachlichen Unterrichts in und mit den jeweiligen bildungspolitischen Diskursen der Zeit fundierter zu begründen als alle anderen Fächer, als Beispiel sei die berühmte DAV-Matrix genannt. (Sie werden die Vorträge in einer Festschrift nachlesen können, die im kommenden Jahr als Sonderausgabe des Forum Classicum erscheinen wird!)
Nachdem am Samstag im Senatssaal die Präsidentin der Humboldt Universität, Julia von Blumenthal, in ihrem Grußwort aufgezeigt hatte, wie sie persönlich gerade ihre altgriechische Bildung als κτῆμα ἐις αἰεί begreife, erinnerte uns unsere Festrednerin Arlene Holmes-Henderson, Durham, daran, dass man data brauche, um die Politiker zu überzeugen – data, die sie in ihren fachdidaktischen Projekten erhoben hat: Wenn wirtschaftsorientierte englische Politiker „low-earning degree“-Studiengänge abschaffen wollen, konnte sie ihnen anhand der Daten zeigen, dass Classics-Absolventen zu den besten Steuerzahlern des Landes zählen; wenn englische Bildungspolitiker altsprachlichen Unterricht für überflüssig für die Entwicklung des Landes hielten, konnte sie ihnen anhand ihrer Studiendaten zeigen, dass im Gegenteil das Lernen von Latein als erste Fremdsprache in der englischen primary school dazu führt, dass Kinder aus prekären Elternhäusern am Ende ihrer Grundschulzeit nicht mehr den üblichen 30%igen Leistungsnachteil gegenüber ihren Mitschülern aufweisen, sondern statistisch aussagekräftig nachweisbar in ihren schulischen Leistungen mit Kindern aus einkommensstarken Familien gleichziehen. Mit dem Nachweis dieser empowerment-Funktion des Lateinlernens, sei es dass sie in erster Linie auf die sprachbildende Funktion des LU zurückzuführen sei, sei es dass die Motivationsförderung durch das Eintauchen in eine fremde Welt der Vergangenheit, der Römer und der griechischen Mythen, sei es dass die Funktion als sozusagen Einstiegsdroge zur tiefergehenden Beschäftigung mit philosophischen Fragestellungen und grundlegenden Texten der Weltliteratur ihren Teil zu dieser Aktualisierung von Chancengerechtigkeit beiträgt, zeigen diese Daten, dass Aufstieg durch altsprachliche Bildung möglich ist und dass wir stolz sein können auf den Beitrag unserer Fächer für den Einzelnen und unsere Gesellschaft!
Die hochkarätig und ebenso vielfältig besetzte Podiumsdiskussion untermauerte dies unter der gekonnten Moderation Johan Schloemanns aus unterschiedlichsten Perspektiven – vom Erbe des Theaters als Aushandlungsort gesellschaftlicher Themen und Konflikte (Sybille Meier) über die immerwährende Herausforderung, archäologische Funde wie Mythen stets neu zu deuten und sich dabei auch der Zeitgebundenheit vergangener Rezeptionen bewusst zu werden (Annegret Klünker, Lisa Cordes, Cosima Felgentreu) bis hin zur Frage des Umgangs aktueller Bildungspolitik mit anspruchsvollen Unterrichtsgegenständen angesichts politisch gewünschter Noteninflation (Sebastian Claudius Semler). Interessant war hier die Position des Bildungsforschers Olaf Köller, der lapidar meinte, wenn eine Bildungselite diese altsprachlichen Inhalte für ihre Kinder haben wolle, so habe sie als Steuerzahler auch das gute Recht, dass dies angeboten werde, während Lisa Cordes, Latinistik-Professorin an der HU, und Annegret Klünker, Archäologin und Museumskuratorin, die die Alten Sprachen nicht an der Schule hatte, sondern sie für ihr Studium an der Uni lernen musste, betonten, dass diese horizonterweiternden und zur wahren Teilhabe an unserer Kulturgemeinschaft befähigenden Fächer gerade auch denjenigen Kindern zur Verfügung gestellt werden sollten, die nicht über ihre Eltern den Zugang dazu bereits erhielten.
Einen bedenkenswerten Aspekt brachte in der Diskussion der Hinweis Hans-Joachim Gehrkes, dass diese Kenntnisse auch bei Diplomaten eine zentrale Rolle spielen (sollten!) – nicht ohne Grund untersteht das DAI dem Auswärtigen Amt -, da viele Anrainerstaaten des Mittel- und Schwarzen Meeres dazu neigen, die Deutung archäologischer Funde zur Legitimation ihrer Herrschaftsideologie zu nutzen – und nur die Kenntnis und das Verstehen der Originalsprachen der Texte und Inschriften ermögliche es, diese oft äußerst originellen Interpretationsnarrative zu entzaubern.
Musikalisch umrahmt wurde die Festveranstaltung durch zwei Abiturienten aus dem Freiburger Raum (beide Latein-LK, einer auch Griechisch!), Benjamin Barth und Theo Behrends, Absolventen des Kollegs St. Sebastian, Stegen, die sogar das Seikilos-Lied, das älteste vollständig überlieferte griechische Musikstück, eigens für diese Veranstaltung adaptiert hatten und uns mit ihrer Musikalität und ihren Erläuterungen beeindruckten und verzauberten! Die ausgewählten Instrumente – Geige, ein in Athen erstandenes Zupfinstrument und eine schwedische Nyckelharpa – verliehen den festlichen Klängen einen ganz besonderen Reiz.
Durch die großartige Kooperation mit der Antikensammlung, unser besonderer Dank gilt hier Herrn Maischberger und Frau Wieczorek, konnten wir am Samstagnachmittag neben wunderbaren Museumsführungen im Alten Museum und in der Sonderausstellung der Bronzen von San Casciano in der James-Simon-Galerie (inklusive der religionsgeschichtlich spannenden Blitzeinschlagsbestattung) im Auditorium derselben eine beeindruckende szenische Lesung des ersten Buches der Ilias unter der Regie von Georg Rootering erleben, für dessen unermüdlichen Einsatz für dieses Projekt wir hier ganz besonders danken möchten, – mit einer sehr beeindruckenden Leistung der Schauspieler Silvia-Maria Jung und Dimitri Stapfer, gerade auch bei den Beziehungsdarstellungen innerhalb der Götterfamilie(n)!
Damit hatten sie zwei Tage zuvor, bei der Aufführung für Berliner Latein- und Griechisch-Kurse, bereits die Schülerinnen und Schüler (wie ihre Lehrkräfte) in Begeisterung versetzt – und umgekehrt: Die Schauspieler waren sehr beeindruckt von der Ernsthaftigkeit und den Nachfragen der Schülerinnen und Schüler der Alten Sprachen, das sei bei Theaterausführungen vor Schülern durchaus nicht selbstverständlich…
Eine besondere Freude war es für uns, dass wir das 100jährige DAV-Jubiläum mit der Ehrung unseres ehemaligen Vorsitzenden Bernhard Zimmermann zu seinem 70. Geburtstag und der Übergabe der Festschrift kombinieren konnten! Danke, lieber Bernhard, für Deinen unermüdlichen Einsatz für unsere Fächer und unseren Verband!
Abgerundet wurden beide Abende mit lebhaftem Austausch bei Getränken und Häppchen in fröhlicher Atmosphäre, so dass wir als DAV gestärkt in die nächsten 100 Jahre des Einsatzes für Griechisch und Latein für die kommenden Generationen eintreten!
Und wir freuen uns bereits auf das Wiedersehen in Frankfurt zu unserem nächsten DAV-Kongress (7.-11. April 2026) unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Hessen, Boris Rhein, mit der Humanismus-Preis-Verleihung an Dame Winifred Mary Beard, DBE, FSA, FBA, Professor of Classics an der University of Cambridge am Eröffnungsabend, die Laudatio wird Llewelyn Morgan, Professor of Classical Languages and Literature and Chair of the Classics Faculty Board der University of Oxford, halten, und mit unserem Kongressmotto:
Aus der Antike lernen für die Demokratie von heute und morgen: exempla et errores
Das Einladungsprogramm findet Ihr / finden Sie in der nächsten Ausgabe des Forum Classicum!
Auf Wiedersehen in Frankfurt und bis dahin anregende Unterrichtsgespräche mit Ihren/ Euren Schülern und Studierenden!
wünscht
Euer DAV-Bundesvorstand
Katja Sommer, Stefan Faller, Stefan Freund
Denken Sie auch an die Teilnahme an unseren Wettbewerben:
Ad astra und DAV-Preis für Fachdidaktische Forschung
Und hier weitere Meldungen aus den Landesverbänden:


