Seit der Wiedervereinigung Deutschlands hat der Lateinunterricht eine bemerkenswerte Konsolidierung mit fast stetig steigenden Schülerzahlen erlebt. Er wird zur Zeit von ca. 810 000 Schülerinnen und Schülern besucht (Schuljahr 2006/2007) und nimmt nach Englisch und Französisch den dritten Platz in der Rangliste der Fremdsprachen des allgemeinbildenden Schulwesens ein. Latein wird in erster Linie an Gymnasien, aber auch an Gesamtschulen unterrichtet, und zwar als zweite Fremdsprache ab Klasse 5, 6 oder 7, als dritte Fremdsprache im Wahlpflichtbereich ab Klasse 8 oder 9 sowie als spätbeginnende Fremdsprache ab Klasse 10 oder 11. Je nach Lehrgangsform beginnt der Lateinunterricht mit der Lehrbuchphase, die zwei- bis drei Jahre umfasst und neben dem Erwerb der sprachlichen Grundlagen eine erste Einführung in die Geschichte und die Kultur der Römer sowie deren Fortleben bietet. Daran schließt sich die Lektüre lateinischer Originaltexte aus Antike, Mittelalter und Neuzeit an. Der Unterricht kann in der gymnasialen Oberstufe auf unterschiedlichen Niveaustufen bis zum Abitur fortgesetzt werden. Insgesamt ist Lateinunterricht nicht nur auf jeder Stufe möglich, sondern auch sinnvoll. Dabei werden je nach Lehrgangstyp der Sprach- und Lektüreunterricht hinsichtlich ihrer Inhalte, Ziele und zeitlichen Ausdehnung sinnvoll differenziert; ferner werden die jeweils herrschenden lernpsychologischen und motivatorischen Bedingungen der Schüler sowie insbesondere die bereits vorhandenen Kenntnisse anderer Fremdsprachen bei der Gestaltung der verschiedenen Lehrgangsformen berücksichtigt.

Zu dem vielfältigen Autoren- und Textspektrum gehören aus der Antike u. a. der Fabeldichter Phaedrus, die Komödiendichter Terenz und Plautus, die Epiker Vergil und Ovid, der Epigrammatiker Martial und die Lyriker Catull und Horaz sowie satirische Literatur (Horaz und Petronius). Ferner stehen historische Texte von Caesar, Sallust, Livius und Tacitus sowie rhetorische und philosophische Schriften von Cicero bzw. Seneca und christliche Literatur (Vulgata und Augustinus) zur Verfügung. Aus dem Mittelalter können beispielsweise Heiligenlegenden des Jacobus de Voragine, die Carmina Burana und Einhards Biographie Karls des Großen gelesen werden. Aus der Neuzeit kommen sowohl Texte der Humanisten Francesco Petrarca, Ennea Silvio di Piccolomini, Erasmus von Rotterdam und Thomas Morus als auch der neuzeitlichen Philosophen René Descartes und Johan Amos Comenius in Frage.

Das Latinum ist ein bundeseinheitlich anerkannter Abschluss und wird i. d. R. nach fünfjährigem, aufsteigenden Lateinunterricht erreicht. In Ausnahmefällen kann es bereits nach drei Jahren mit einer schriftlichen und mündlichen Prüfung abgeschlossen werden. Näheres regeln die Kultusbehörden der einzelnen Bundesländer. Grundsätzlich kann Latein von jedem Schüler erlernt werden, der die Anforderungen des Gymnasiums bzw. vergleichbarer Kurse an der Gesamtschule erfüllt. Das Latinum ist an vielen deutschsprachigen Hochschulen und Universitäten Voraussetzung für das Studium bestimmter Fächer (z. B. Deutsch, Englisch, Französisch, Latein, Griechisch, Geschichte, Theologie, Philosophie). In zahlreichen Fächern benötigt man das Latinum zur Magisterprüfung oder zur Promotion.