mommsen

„Die Altertumswissenschaften und die Cultural TurnsForschungen zur Klassischen Antike im (inter)disziplinären Dialog“

3. bis 5. Mai 2019 an der Freien Universität, Berlin

Die sogenannten „kulturwissenschaftlichen Wenden“ (cultural turns) bestimmen in immer stärkerem Maß auch die Forschungen in den klassischen Altertumswissenschaften. Wenn auch mit einiger zeitlicher Verzögerung wurde die unter kulturwissenschaftlichem Vorzeichen begonnene Neu­ausrichtung der Geistes- und Sozialwissenschaften in den letzten Jahren auch in der philologischen, historischen und archäologischen Auseinandersetzung mit der antiken Überlieferung nachvollzogen. Deutlich wurden dabei immer wieder ihr enormes epistemologisches Potential, aber auch Schwierig­keiten in der Umsetzung. Die kulturwissenschaftlichen Wenden motivieren nicht nur die Erschließung neuer Themenfelder, Gegenstandsbereiche und theoretischer Ansätze, das Überdenken zentraler Kategorien oder die Stärkung eines selbstreflexiven Blicks auf die Forschungspraxis. Vielmehr tragen sie ganz wesentlich zu einer Öffnung der Disziplinen im inter- und transdisziplinären Forschungs­kontext und zu einer Überwindung von allzu starren Fächergrenzen bei.

Inzwischen ist die Anzahl der als turns bezeichneten kulturwissenschaftlichen Forschungsansätze allerdings unübersehbar geworden. Stand zunächst der Paradigmenwechsel des linguistic turn im Zentrum der Aufmerksamkeit, wurde dieser seit den 1980er Jahren sehr bald durch weitere turns, etwa den narrative, performative, postcolonial, gender/queer, translational, mnemonic, iconic/pictorial, medial, spatial, global/glocal, material, corporeal, emotional, cognitive oder religious turn ergänzt und teilweise abgelöst. Die Etikettierung und Nobilitierung eines jeden neufokussierten Forschungs­ansatzes als turn hat gelegentlich auch Kritik und den Vorwurf, damit nur kurzfristige intellektuelle Moden zu bedienen, hervorgerufen. Deshalb hat D. Bachmann-Medick zurecht darauf hingewiesen, dass erst dann sinnvollerweise von einem turn gesprochen werden kann, wenn ein neuer Forschungs­fokus mit seinen jeweiligen Forschungsgegenständen und seinem spezifischen Vokabular den Stellenwert einer Analysekategorie bzw. eines Erkenntnismediums gewinnt, d.h. seine beschreibenden Begriffe zu operativen Begriffen werden.

Vor diesem Hintergrund soll auf der Großen Mommsen-Tagung 2019 in Berlin ein kritisches Zwischen­resümee gezogen werden, das ganz grundsätzlich die Situation der in der Mommsen-Gesellschaft vertretenen Disziplinen innerhalb der deutschen und internationalen Forschungslandschaft beleuchten soll. Welche turns sind für die Klassischen Altertumswissenschaften zentral? Wo gibt es Unterschiede in der Operationalisierbarkeit kulturwissenschaftlicher Theorien zwischen den philologischen, histori­schen, archäologischen, religions-, philosophie- oder rechtshistorischen Disziplinen innerhalb der Altertumswissenschaften, die sich beispielweise auf die medialen Unterschiede der Quellencorpora oder auf die differierende Bevorzugung von Theorieansätzen zurückführen lassen? Wo haben ent­sprechende kulturwissenschaftliche Perspektivwechsel zu qualitativ neuen Erkenntnissen geführt? Wie fügen sich die Forschungen in den Spannungsbogen zwischen Disziplinarität und Inter-/Transdiszipli­narität ein und welche Folgen hat dies für die eigene Forschungspraxis?

Eingereicht werden können Vortragsvorschläge, die explizit die disziplinäre Herangehensweise an einen Gegenstand unter Einbeziehung der entsprechenden kulturwissenschaftlichen Theorien thematisieren. Die Beiträge sind idealerweise als 30minütige „Tandem“-Vorträge vorzusehen, d. h. zwei oder mehr Vortragende mit unterschiedlichem (in der Regel klassisch-altertumswissenschaftlichen) Fachhinter­grund beleuchten einen gemeinsamen Themenaspekt oder Gegenstandsbereich unter ihrer inter- oder transdisziplinären Perspektive. Ebenso sind Bewerbungen einzelner Vortragender möglich, wenn das Thema eine entsprechende interdisziplinäre und komparatistische Ausrichtung aufweist.

Die Vorträge sollen somit zweierlei leisten: Zum einen soll das Erkenntnispotential der kulturwissen­schaftlichen turns demonstriert und reflektiert werden, zum anderen soll anhand konkreter Beispiele und interdisziplinärer Forschungsprojekte diskutiert werden, inwieweit der Einsatz dieser kultur­wissenschaftlichen Theorien zu einer produktiven Entgrenzung der Disziplinen und/oder zu einer notwendigen Selbstvergewisserung der eigenen disziplinären Verortung führt. Welche fachspezifischen methodischen Rahmenbedingungen führen also entweder zu konvergierenden oder zu differierenden Erkenntnissen, wenn beispielsweise Historiker*innen und Philolog*innen zu einem Thema innerhalb der Narratologie oder der Emotionsgeschichte oder wenn Philolog*innen zusammen mit Archäolog*innen innerhalb der Raumtheorien oder Gender Studies forschen? 

Bitte richten Sie Vortragsvorschläge mit Titel und Zusammenfassung (300 bis 500 Wörter) sowie einen Kurzlebenslauf der Vortragenden bis zum 15.01.2019 an:

Prof. Dr. Johanna Fabricius

Erste Vorsitzende der Mommsen-Gesellschaft e.V.

Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität

Fabeckstr. 23–25

14195 Berlin

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