Die letzten Wochen wurden medial im Bereich der Klassischen Sprachen und der Nachbarwissenschaften durch drei Großthemen dominiert:
- Mehr Latein an Großbritanniens staatlichen Schulen
- Pompej
- der neue Direktor der Ausgrabungsstätten Gabriel Zuchtriegel
- neue Funde und Erkenntnisse
- Papst Franziskus gegen die Ausweitung des lateinischen Messritus
Daneben gab es noch einige interessante Thematisierungen wie zum Beispiel einen
Artikel über die antiken Tempelreste im Dom von Syrakus.
Zum ersten Thema:
Mehr Latein in Großbritannien
Zuerst erschien - mit der leichten Note einer Sensation - die Meldung über den Schulversuch an sich in den Medien. Der DAV reagierte rasch und veröffentlichte ein ausführliches Statement des Vorsitzenden bzw. Prof. Dr. Stefan Freund gab der dpa ein Interview. Sofort gab es eilige Kommentare in diversen Medien zum Thema, welche sich meist mit Klischees begnügten und oft nur hastig zusammengewürfelte Zitate, Floskeln und Sprichwörter enthielten. Wer sich etwas Zeit ließ, schrieb differenzierter - wie etwa Heribert Prantl in der SZ mit seinem Plädoyer für Latein, ein wenig aus der Sicht des Juristen, denn das ist Prantls studiertes Metier.
Einige ausgewählte Darstellungen aus den hauptberuflichen Medien:
Zuerst THE GUARDIAN, der das Argument des britischen Bildungsministers Gavin Williamson in den Vordergrund stellt, dem Latein seine "reputation as an elitist subject" nehmen und die "benefits to young people" dem Nachwuchs aus allen Bevölkerungsschichten zugute kommen lassen zu wollen. Das Pilotprojekt läuft für zunächst vier Jahre an 40 ausgewählten Schulen.
Coniunctio interretialis:
Die Meldung in Deutschland:
Großbritannien - Warum London Latein als Schulfach fördern will - Kultur - SZ.de (sueddeutsche.de)
Sich über die Briten wundern und lernen | 3.8.2021 - SWR2
Mehr Latein an britischen Schulen: "Firlefanz, der wenig kostet" | tagesschau.de
Einige eilige Kommentare:
Glosse Latein für die Briten (saarbruecker-zeitung.de)
Ein Kommentar mit Muße von Heribert Prantl:
Warum es sich lohnt, mehr Latein zu wagen - Politik - SZ.de (sueddeutsche.de)
Ein Leserbrief:
Leserbrief von Eberhard Hoos zu Latein als Schulfach (volksfreund.de)
Zum zweiten Themenkreis:
Pompeji
Deutscher neuer Direktor der Ausgrabungsstätten in Pompeji.
Ein wenig erinnert die Situation an die Berufung des Deutschen Eike Schmidt auf die Stelle des Museumsdirektors der Uffizien: Der inzwischen in Italien eingebürgerte Gabriel Zuchtriegel tritt die Nachfolge des Direktors Massimo Osanna in der Leitung des Archäologischen Parks Pompeji an. Er hatte vorher in Paestum gearbeitet.
Die Sendung "titel thesen temperamente" vom 22.08.2021 stellt ihn vor:
Video: Sendung vom 22. August 2021 - ttt – titel, thesen, temperamente - ARD | Das Erste
Anmerkenswert: Die Übersetzung für die Form cinaede als Teil eines Graffitos in einem Thermopolium mit Schwuchtel ist nur eine mögliche Interpretation. Die Redaktion der Sendung ttt apostrophiert Pompejis Gesellschaft allein mit Verweis darauf recht voreilig als homophob. Die Faktenlage stellt sich anders dar.
Ein Rückblick: Der BR hatte schon im Februar ein Feature zu Gabriel Zuchtriegel präsentiert, in dem er auch auf Kontroversen zu seiner Berufung einging:
"Hat nicht die nötige Tiefe": Krach um deutschen Chef in Pompeji | BR24
So unerfahren wie befürchtet ist der neue Direktor möglicherweise doch nicht. Garantiert ist auf jeden Fall eine hohe Dichte der Berichterstattung über Neues aus Pompeji in deutschsprachigen Medien.
Dazu gehört nicht nur ein wiederholtes Aufgreifen der Entdeckung des neuen Imbisslokals, sondern auch Berichte über weitere Funde.
Spektakulärer Grabfund:
Vor allem die Entdeckung der zum Teil mumifizierten Leiche eines (erfolg)reich gewordenen Freigelassenen, also eines sozialen Aufsteigers - nach dem Erdbeben von 62 n. Chr. ein häufiges Phänomen in der Stadt - sorgte in den letzten Wochen für Aufsehen. Erwähnenswert ist nicht nur, dass der vor dem Vesuvausbruch vom 24. Oktober 79 n. Chr. Verstorbene nicht brandbestattet worden ist, sondern auch sein auf einer Inschrift hinterlassener Hinweis, dass er lateinische und griechische Dramen habe aufführen lassen. Neuere Forschungen haben ergeben: Das lange als Odeion identifizierte zweite Theater in der Stadt diente wahrscheinlich der Aufführung griechischer Dramen. Hierzu einige Berichte:
Pompeji: spektakulärer Fund bei Ausgrabungen (tagblatt.ch)
Spektakulärer Fund in Pompeji - vom Sklaventum in die High Society (rp-online.de)
Spektakulärer Fund in Pompeji: Ex-Sklave wurde zum Tempelwächter | STERN.de
In Pompeji sprach auch die Oberschicht Griechisch | PULS 24
Grabfund in Pompeji liefert erstaunlichen Beweis - Archäologie - derStandard.at › Wissenschaft
Nebenbei erbrachte die zeitweilige Vernachlässigung Pompejis folgendes:
Beschränkung der lateinischen Messen
Ein öffentlich-rechtlicher Bericht:
"Gescheitert" - Papst schränkt Messe für Traditionalisten ein | BR24
Die katholischen Medien:
Wie das Papstschreiben zur "Alten Messe" weltweit aufgenommen wurde - katholisch.de
Franziskus schränkt die Messfeiern nach altem Ritus ein | DOMRADIO.DE - Katholische Nachrichten
Papst: Neue Normen für die „Alte Messe“ - Vatican News
Priester feiert lateinische Messe – und wird suspendiert - katholisch.de
kath.net (Treue zum Konzil - oder Treue zum "Bruch"? Ein Kommentar)
Verschiedene sonstige Meldungen
Zum Potential der digitalen Philologie:
Digitale Philologie und Hippokratisches Corpus (faz.net)
Am Andreanum in Hildesheim jetzt auch Bildungsgang ohne Latein:
ANDREANUM ONLINE - Andreanum kippt nach 800 Jahren die Latein-Pflicht
Latein im Kölner Platt:
Am Ende Latein? (wochenspiegellive.de)
Zum Philhellenismus des 19. Jh. (gelegentlich „Graecomanie“ genannt):
Die Philhellenenbewegung von 1821 stammt auch aus dem Thurgau (tagblatt.ch)
Etwas von DLF zu Frau Wesselmanns neuem Buch (erschienen bei bei Theiss/WBG):
Eine Buchvorstellung beim SRF zu Sappho:
Zur Debatte um den Abschaffungsversuch der Klassischen Sprachen an der Universität Halle-Wittenberg und Überlegungen an anderen Universitäten:
Universitäten: Ohne die kleinen Studiengänge geht es nicht (faz.net)
Noch ein Artikel vom März zur US-Diskussion um die Abschaffung der classics:
Amerikanische Althistoriker plädieren für Abschaffung ihres Fachs | Die Tagespost (die-tagespost.de)
Zum selben Thema ein Statement aus Österreich:
Nein, Homer darf nicht fallen! | DiePresse.com
Tempelreste im Dom von Syrakus (bekannt aus den Verrinen):
Spur der Steine: Was vom Athena-Tempel in Syrakus blieb (faz.net)
Die Entzifferung verkohlter Papyri aus Herculaneum an der Universität Würzburg:
Virtueller Blick ins Innere - scinexx.de
Vertiefend:
Verkohlte Wörter: Zwei Schriftrollen aus der Villa dei Papiri (faz.net)
Zusätzlich gibt es - GANZ NEU - zwei Hinweise auf wiederentdeckte Fragmente eines verschollenen Epos. Sie stammen von einem Palimpsest aus dem Katharinenkloster. Der ORF berichtet, der STANDARD spricht gar von einem Sensationsfund:
Literatur: Bisher unbekannter Text aus der Antike entdeckt - science.ORF.at
Immer wieder Interessantes in Selkets Blog:
Griechisch-Römische Siedlung unter Alexandria entdeckt (selket.de)
Rückkehr eines Altphilologen aus der Politik an die Schule: