Dominic Bärsch, Mundus ecce nutat et labitur. Weltuntergangskonzepte in der griechischen und lateinischen Literatur, Göttingen (Vandenhoeck & Rupprecht) 2023, Hypomnemata 218. ISBN 978-3-525-30221-7
Ein Jahreswechsel ist Anlass, über den Wandel der Zeitläufte und damit letztlich auch ihr Ende nachzudenken – so möge es verstanden werden, wenn hier eine Studie über antike Weltuntergangskonzepte zur Vorstellung gelangt. Zunächst wirft der Verfasser, unabdingbar in einer Dissertation, aber doch gedanklich anregend, die grundsätzlichen Fragen auf, wie Vorstellungen eines Weltuntergangs überhaupt begründet, unter Rückgriff auf Metaphern formuliert und vermittelt werden. Der inhaltlich orientierte Durchgang ist dann recht pragmatisch, tendenziell chronologisch strukturiert und beginnt natürlich im griechischen Denken: Zunächst ist da das Konzept der großen Flut, zweitens über Vergehen und Wiedererstehen der Welt. Dann wechselt die Perspektive auf Rom – hier nun eher historisch: Der Verfasser stellt dar, wie sich in der ausgehenden Republik Lukrez und Cicero das Ende der Welt vorstellen. Das mit 90 Seiten ausführlichste Einzelkapitel gilt der augusteischen und frühkaiserzeitlichen Literatur: Hier werden Ewigkeitskonzepte neben Flut, Weltenbrand und Chaos gestellt. Ein letztes Kapitel gilt der jüdisch-christlichen Literatur: Neben dem Jüngsten Tag kommen auch hier Flut, Weltenbrand und die Vorstellung vom Altern der Welt zum Tragen. Es handelt sich um eine wissenschaftliche Studie, nicht um ein Sachbuch, das in erster Linie sein Publikum in den Bann schlagen soll. Und doch ist der mutig weite und dabei geglückte Umgriff – was das Thema, aber auch, was das Textcorpus angeht, das von Homer bis in die jüdisch-christliche (Spät-)Antike reicht. Es zeigt sich: So unterschiedlich Kontext (Mythologie, Naturphilosophie, Dichtung, jüdisch-christliche Apokalyptik usw.) und Komplexität in der Ausarbeitung der vorgestellten Weltuntergangskonzepte auch sind (dieser Faktoren ist sich der Verfasser wohltuend bewusst) – beeindruckend klar werden Bedeutung, Präsenz und Facettenreichtum der Vorstellung von einer globalen Katastrophe durch Feuer oder durch Flut in der Antike. – Das regt am Ende eines Jahres, das von Hitze- und Dürrerekorden geprägt war, und an einem Jahreswechsel mit weitreichenden Überflutungen durchaus zum Nachdenken an: Natürlich weiß die Antike nichts von einem anthropogenen Klimawandel und erhebt keine empirisch-naturwissenschaftlichen Daten. Aber sie reflektiert die existentielle Gefährdung durch Feuer und Flut und berücksichtigt sie nach den Maßgaben ihres Denkens in ihren mythologischen, philosophischen und literarischen Weltkonzepten. Welcher Impuls kann davon für eine Gegenwart ausgehen, der nach den Maßgaben ihres Denkens die Möglichkeit empirisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnis und der politisch-ökonomischen Umsetzung zu Gebote stehen?
Stefan Freund