Bea Fitzgerald, Girl, Goddess, Queen. Mein Name ist Persephone. Übersetzt aus dem Englischen von Inka Marter, München (cbj Kinder- und Jugendbuchverlag) 2023, ISBN 978-3-570-18098-3, 489 Seiten, € 20,00 (Englische Originalausgabe: Girl, Goddess, Queen. London 2023)
Der Raub der Persephone bzw. Proserpina hat sich seit Langem als geeigneter Stoff für literarische Produktionen erwiesen. So bearbeitete beispielsweise Claudian ihn in seinem mythologischen Epos De raptu Proserpinae. Was aber, wenn Persephone überhaupt nicht geraubt worden ist? Eine solche Version kann gelesen werden in „Girl, Goddess, Queen“ von Bea Fitzgerald. Fitzgerald ist Writing Coach bei „The Novelry“, Autorin und Content Creatorin mit einer Vorliebe für die griechische Mythologie (@chaosonolympus) bei TikTok und Instagram. Ihre Debütromantasy „Girl, Goddess, Queen“ landete auf Anhieb auf der Sunday-Times-Bestsellerliste.
Kore, die Tochter der Göttin Demeter und selbst Göttin der Blumen, lebt von ihrer Mutter beschützt und abgeschirmt auf der Insel Sizilien. Sie lernt Sittsamkeit, Benimm und Anstand – all das, was in den Augen ihrer Mutter und der Olympier von einer jungfräulichen Göttin bei ihrer Hochzeit zu erwarten ist. Doch Kore ist nicht so – in dem augenscheinlich schüchternen, zurückhaltenden und naiven Mädchen steckt ein emanzipierter und einfallsreicher Geist, der sich nach Selbstbestimmung und Macht sehnt. Und eines will sie sicherlich nicht: verheiratet werden. Als sich Demeter auf den Olymp begibt, um mit Zeus Heiratsangebote für ihre Tochter zu sammeln, ist Kores Chance gekommen: „Ich war brav. Ich war gehorsam. Ich war so verdammt perfekt. Als ich also schließlich durchdrehte, drehte ich richtig durch“ [41]. Mit geschickten Tricks gelingt es ihr, Hades, den Gott der Unterwelt, dazu zu bringen, sie in sein Reich einzulassen und dort zu beschützen und zu bewirten. Denn Hades ist der einzige Gott, von dem sie keine Geschichten von Gewalt an Frauen kennt. Doch Kore sitzt nicht still in Hades‘ Palast und wartet darauf, dass ihr Verschwinden bemerkt wird, sondern beginnt, die karge Unterwelt nach ihren eigenen Vorstellungen zu verändern. Nach anfänglichen Streitereien entwickeln sich Vertrauen und Nähe zwischen dem König der Unterwelt und der Göttin der Blumen, die eine ganz neue Seite an ihrem Gastgeber kennenlernt. Unter einem neuen, selbstgewählten Namen nimmt die „Chaosstifterin“ [192] Persephone mit Hades ihr Schicksal selbst in die Hand und greift gleichzeitig nach der Macht, die ihr als Kore stets verwehrt geblieben ist.
Geschildert wird das Geschehen aus der Sicht Kores/Persephones. Das Lesepublikum erhält dabei stets Einblicke in ihre Gedanken und Gefühle, die manchmal so gar nicht zu ihrem Verhalten passen (wollen/dürfen): „Was bin ich, wenn nicht Expertin darin, eine Fassade aufrechtzuerhalten?“ [56] Durchzogen wird die Schilderung dadurch von viel Humor, Ironie und Sarkasmus. Die Sprache ist geprägt von einem anglophonen Umgangston (z.B. Hey [163], Sorry [163], Okay [172], Show [190]) und bisweilen auch vulgären Ausdrücken (so muss sich Hades als „Arschloch“ bezeichnen lassen [103] und Kore macht deutlich, dass sie nicht mit ihm „ficken will“ [189]). Die detailreiche und lebhafte Schilderungsweise der Autorin machen diese spannende Romantasy für Freund:innen von „Enemies-To-Lovers“-Büchern, die über eine emanzipierte Protagonistin lesen wollen, auf jeden Fall lesenswert.
Im August 2024 erscheint der zweite Band der Reihe in deutscher Übersetzung: „Princess, Prophet, Saviour – Kassandra, die Prophetin, der keiner glaubt“.
Philipp Buckl, Bergische Universität Wuppertal