Jan Weidauer: Männlichkeit verhandeln: Von Lüstlingen, Kriegern und wahren Römern (1./2. Jh. n. Chr.). Heidelberg: Propylaeum, 2021. Mainzer Althistorische Studien (MAS), Bd. 9. https://doi.org/10.11588/propylaeum.813
Was bedeutet es, ein ,echter Mann‘ zu sein? Diese Frage will Jan Weidauer für die Elite des kaiserzeitlichen Rom beantworten. Seine Studie „Männlichkeit verhandeln“, eine geringfügig überarbeitete Fassung seiner in der Alten Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eingereichten Dissertationsschrift, bietet ein Beispiel für ein zunehmendes Forschungsinteresse an Männern und Männlichkeit in der griechisch-römischen Antike. Die im Open-Access-Format publizierte Studie ist unter dem oben genannten Link dauerhaft frei verfügbar.
Im lesenswerten und klar strukturierten Einleitungskapitel führt Weidauer an Fragestellungen und Konzepte der Geschlechter- und Männlichkeitsforschung heran. Ausgehend von der Vorstellung von Geschlecht als kulturellem Konstrukt setzt er sich u.a. mit den Konzepten der Performativität von Geschlecht (Butler), der hegemonialen Männlichkeit (Connell) und des Habitus (Bourdieu) auseinander und skizziert auf dieser Grundlage seinen eigenen theoretisch-methodischen Zugriff, der sich besonders auf Bourdieu und Butler stützt. Ein nach Bereichen wie Sexualität, Rhetorik, Semantik usw. gegliederter Forschungsüberblick zeigt, inwiefern bereits eine „altertumswissenschaftliche Männlichkeitsforschung“ existiert.
Im diskursanalytischen Hauptteil untersucht Weidauer zuerst die Verspottung in sexueller Hinsicht devianter Männer im „satirischen Diskurs“, den er in Martials Epigrammen und Juvenals Satiren findet. Ergänzt wird diese Perspektive durch einen „ethnischen Diskurs“, wie er sich für Weidauer in den Ausführungen über Germanen bei Tacitus und in Bezugnahmen auf die griechische Athletik im Rhetorikhandbuch Quintilians manifestiert. Vor der Folie hypermaskuliner germanischer Krieger, hyperzivilisierter Graeculi oder dem Spott über effeminierte Männer lässt sich für das kaiserzeitliche Rom eine moralische Konzeption von Männlichkeit erkennen, wobei Selbstbeherrschung (continentia sui) und Leidensfähigkeit (virilis patientia) als Säulen der virtus die Grundlage männlicher Autorität darstellen. Durch entsprechendes Handeln in verschiedenen Lebensbereichen muss sich ein Römer in diesem Sinne als ,echter Mann‘ erweisen und seine Männlichkeit performativ aktualisieren.
Für die Auseinandersetzung mit dem seit Längerem im Zentrum des medialen Interesses stehenden Themas „Männlichkeit“ im altsprachlichen Unterricht bietet Weidauers anregende Studie zahlreiche Impulse.
(Rezension: Petra Schierl)