Wolfgang Will, Der Zug der 10 000. Die unglaubliche Geschichte eines antiken Söldnerheeres, München (C.H. Beck) 2022, ISBN 978-3-406-79067-6, € 28,00

In den Jahren 401 bis 399 nimmt Xenophon an einem Zug von 10.000 griechischen Söldnern teil, die in einem Streit um den persischen Thron der Jüngere Kyros gegen seinen Bruder Artaxerxes II. anwirbt. Aus eigenem Erleben schildert Xenophon später in seiner Anabasis, wie die Truppe zur Schlacht bei Kunaxa im Zweistromland zieht, wie sie dort einen Sieg erringt und zugleich den Tod ihres Anwerbers verschuldet, wie sie sich unter hohen Verlusten, unter Kämpfen und Plünderungen ihren Rückweg aus Babylonien über das Schwarze Meer nach Griechenland bahnt. – Wolfgang Wills Buch folgt der Anabasis in bemerkenswerter Weise: Nach einer kurzen Einführung in die Biographie des Verfassers, die eng verbunden ist mit den politischen Wirrnissen in Athen am Ende des Peloponnesischen Krieges, folgt Will der Darstellung des Xenophon: Er gibt sie wieder, ordnet sie historisch ein, erläutert und illustriert sie – auch durch Skizzen und Karten. Schon dieses Konzept der Wiedergabe eines bei unmittelbarer Lektüre zwar reizvollen, aber doch in vielem der Kommentierung bedürfenden Werkes, ist reizvoll und bietet einen höchst ansprechenden Lesestoff: Man erhält Einblicke in die politischen, militärischen und ökonomischen Aspekte des Krieges in der Antike – und in dessen allgegenwärtige Brutalität, die sich nicht nur in Kämpfen und Eroberungen, sondern auch in Versklavung und Vertreibung, dem Raub der Lebensgrundlagen und der Zerstörung der Infrastruktur niederschlägt. Es konkretisiert sich Bedeutung von angewandter Rhetorik und Manipulation, sowohl innerhalb des griechischen Söldnerverbandes, aber auch gegenüber Gegnern und Verbündeten. Es scheint die ethnische, sprachliche und kulturelle Pluralität des Perserreichs ebenso auf die wie Konflikte innerhalb des heterogenen griechischen Heeres, in dem weniger ein panhellenischer Gedanke als vielmehr die Einsicht, dass nur ein gemeinsamer Rückzug erfolgversprechend ist, die Konflikte und das Misstrauen zwischen Athenern, Spartanern und anderen überdeckt. Auch das Erleben von Natur und Wetter, von Flora und Fauna, wie es sich bei Xenophon findet, gibt Will wieder. Doch folgt der Althistoriker hier nicht nur klug erläuternd Xenophon, er hinterfragt auch dessen Darstellung: So rückt sich der Aristokrat immer wieder selbst ins rechte Licht dessen, der vom bloßen Begleiter des Zuges zum fähigen Anführer heranreift, er greift Topoi aus der Heimkehrergeschichte schlechthin, der Odyssee, auf und er wird – und das besonders schlagende Zusammenhänge – in seiner Selbstdarstellung immer wieder zum Vorbild Caesars. An keiner Stelle unterliegt Will der Versuchung, eine bloße Abenteuergeschichte zu erzählen, worin aber für ein antikes Publikum der Reiz der Anabasis liegen musste, leuchtet einer modernen Leserschaft unmittelbar ein. Bei all dem verliert Will aber nie den analytischen Blick des Althistorikers. Die Mischung aus wissenschaftlicher Differenzierung und flüssiger Lesbarkeit entlang der Anabasis lässt so ein gelungenes Buch entstehen.

Stefan Freund
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