Andreas Fritsch: Schriften

https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/view/schriftenreihen/sr-77.html

Ce n'est pas un livre – es hätte aber eines werden können: In einer noch gar nicht so weit zurückliegenden Zeit war es akademischer Brauch, die „Kleinen Schriften“ eines Forschers noch einmal zwischen Buchdeckel zusammenzufassen und auf diese Weise wieder verfügbar zu machen, oder auch nicht: Denn diese Sammlungen fanden nur selten eine Verbreitung über die Sammelband-Abteilungen der universitären Spezialbibliotheken hinaus, die einzelnen Beiträge waren für Externe dann doch nur auf dem bisweilen recht bürokratischen Fernleihweg erhältlich.

Die Digitalisierung auch der Geisteswissenschaften hat – ein wenig im Verborgenen - neue Möglichkeiten geschaffen. Besonders für die Altertumswissenschaften hervorzuheben ist das Propylaeum-Projekt (https://www.propylaeum.de/), das von der UB Heidelberg und der Bayerischen Staatsbibliothek München getragen wird, und zu dem neben Bibliothekskatalogen, Datenbanken sowie dem Netzwerk recensio.antiquitatis auch eine elektronische Publikationsplattform (https://www.propylaeum.de/publizieren) gehört, die Buchpublikationen genauso einen Ort gibt wie ganzen Schriftenreihen oder – in unserem Fall relevant – die Wiederveröffentlichung von Zeitschriftenaufsätzen ermöglicht, die anders als etwa bei academia.edu nicht kommerziellen Interessen folgt.

Dafür zunächst einige Beispiele:

Andreas Fritsch (geb. 1941) muss kaum vorgestellt werden. Als Berliner Lehrer, Professor an der Pädagogischen Hochschule und dann an der Freien Universität (eine Reihe von Jahren auch für Humboldt-Universität zuständig) und nicht zuletzt seit 1991 als Redaktor der MDAV und des Forum Classicum hat er über viele Jahre oder besser: Jahrzehnte die altsprachliche fachdidaktische Diskussion mitgeprägt. In dieser Zeit sind zahlreiche Beiträge entstanden, die heute noch relevant, aber nicht leicht an ihren Originalpublikationsorten aufzufinden sind (vgl. https://www.klassphil.hu-berlin.de/de/personen/fritsch).

Nun lassen sich aber die Digitalisate von aktuell (Stand Mitte Januar 2023) von neunzehn dieser Publikationen bequem lesen (weitere Veröffentlichungen scheinen geplant). Die Reihe beginnt mit einem langen Aufsatz, in dem sich Bildungsgeschichte und aktuelle didaktische Fragen verbinden, nämlich zu „Sprache und Inhalt lateinischer Lehrbuchtexte. Ein unterrichtsgeschichtlicher Rückblick“ Nr. 1, 1976), worin – das ist typisch für Fritsch – der Blick auf die Tradition seit der frühen Neuzeit (immer wieder erscheinen Comenius und Gedike) als Maßstab für die aktuelle Praxis dient. Auch wenn seither mehrere Lehrbuchgenerationen ihren Weg in die Schulen und auch wieder heraus gefunden haben, so sei dieser Text allen Verfassern von Lateinbüchern ans Herz gelegt (und natürlich auch den Verlagsverantwortlichen). Mit der Geschichte des altsprachlichen Unterrichts befassen sich auch Nr. 10 (zu Wilamowitz), 28 (Zeittafel zum altsprachlichen Unterricht in Berlin von 1945 bis 1990), 29 (40 Jahre DAV Berlin), 48 (Comenius) sowie 49 und 52 (zu Gedike).

Einer von Fritsch‘ Lieblingsautoren ist Phaedrus, dem er sich in Nr. 16, 25 und 30 in unterschiedlichen Facetten nähert. Dass Latein nicht nur geschrieben, sondern auch gesprochen gehört, hat Fritsch in zahlreichen officinae Latinae auf den DAV-Kongressen und darüber hinaus immer wieder mit Nachdruck vertreten. Nachlesen kann man diese Position in Nr. 13, 33 und 44. Konkret der (zur Entstehungszeit) aktuellen fachdidaktischen Debatte wendet sich Fritsch in Nr. 34, 38 und 40 zu.

Schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich in der keineswegs beliebig bunten, aber abwechslungsreichen Reihe auf Schritt und Tritt lohnende Anregungen zum Nach- und Weiterdenken (wieder)entdecken. Wer beispielsweise den kleinen Aufsatz über die „Antike im Spiegel Berliner Straßennamen“ gelesen hat, wird künftig bewusster durch diese Stadt gehen.

Diese Sammlung der Schriften von Andreas Fritsch zeigt auch exemplarisch, wie die Digitalisierung dazu beitragen kann, dass einmal Geschriebenes aus dem kollektiven Gedächtnis nicht so leicht verschwindet. Denn die Beiträge sind (wie alle vergleichbaren Sammlungen bei Propylaeum) nicht nur über die Suchfunktion oder als Katalog auffindbar, sondern auch über die einschlägigen Suchmaschinen zu ermitteln: Quod non est in Google, non est in mundo – dem ist hiermit Rechnung getragen.

Ulrich Schmitzer, HU Berlin