K.- W. Weeber, Schöner schimpfen auf Latein. Reclam: Ditzingen 2022. EUR 8,- (ISBN: 978-3-15-014308-7).

Wie in früheren Epochen so wird auch in unserer Zeit in vielen Bereichen beleidigt, geschimpft, polemisiert und denunziert. Vor allem in den Medien und sozialen Netzwerken gibt es ständig Verbalattacken gegen Mitmenschen, oft anonym, aber auch ganz offen. Dies war in der Antike nicht viel anders. Daher hat sich der bekannte Altertumswissenschaftler Karl-Wilhelm Weeber mit dieser Thematik näher auseinandergesetzt.

Bereits in der Einleitung (7-8) seines Bändchens geht er auf die Bereiche ein, in denen die Römer Schimpfwörter benutzten: auf Graffiti, auf Latrinenwänden, aber auch in der sogenannten hohen Literatur. Weeber informiert darüber, dass Schimpfwörter im schulischen Unterricht des Faches Latein so gut wie nicht vorkommen. Auf der anderen Seite stellen solche Begriffe einen selbstverständlichen Teil des römischen Alltagslebens „und römischer Zivilisation dar“ (8). Weeber will einer breiteren Öffentlichkeit die lateinischen Schimpfwörter vorstellen. Natürlich hat die Fachwissenschaft auch diesen Bereich der lateinischen Sprache ausgiebig untersucht und tut dies aktuell immer noch. So hat sich ein Sonderforschungsbereich (1285) an der Universität Dresden dieser Thematik (Invektivität) verschrieben. Weeber verweist auf einige wenige Publikationen zum Thema (I. Opelt, Die lateinischen Schimpfwörter und verwandte sprachliche Erscheinungen. Heidelberg 1965; Ph. Dubreuil, Le marché aux injures. Paris 2013; der Reclam-Verlag bietet als Download weitere Literaturhinweise). Für diejenigen Leserinnen und Leser, die sich intensiver mit dem anstehenden Sujet befassen wollen, sei auf weitere Veröffentlichungen hingewiesen (M. Wissemann, Schimpfwörter, https://www.telemachos.hu-berlin.de/latlex/s7.html; S. Koster, Die Invektive in der griechischen und römischen Literatur. Meisenheim am Glan 1980; G. Fink, Schimpf und Schande. Eine vergnügliche Schimpfwortkunde des Lateinischen. Zürich/München 1990). In der Linguistik gibt es in der Regel nur Umschreibungen des Begriffs Schimpfwort, aber noch keine allgemein anerkannte Definition. Ob außer Substantiven und Adjektiven auch Redewendungen als Schimpfworte anerkannt werden, ist umstritten. Reinhold Aman hat folgende Definition vorgeschlagen: „Jedes Wort, das aggressiv verwendet wird, ist ein Schimpfwort“ (Bayrisch-Österreichisches Schimpfwörterbuch. Süddeutscher Verlag München 1972, 165). Weeber verweist auf die Listen im Buch von I. Opelt, „die sich je nach Kontext und Sprechintention als Schimpfwörter eigneten“ (S. 9f.). I. Opelt hat in ihrer Freiburg Habilitationsschrift folgende Definition vorgelegt, die sie auch in ihren zahlreichen weiteren Publikationen zum Thema zugrunde legt: „Das Schimpfwort ist die nominale prädikativische Feindanrede oder Feindbezeichnung normbezogen-negativen Inhalts, die in beleidigender Absicht geschieht und in der sich zugleich die Erregung des Schimpfenden löst“ (I. Opelt, a. a O., 18). Da Weeber sein Buch zur vergnüglichen Lektüre konzipiert hat und den Leserinnen und Lesern Spaß vermitteln will, in Anlehnung an einen Gedanken von Apuleius („intende, lector, laetaberis /Leser, pass auf, du wirst deinen Spaß haben!“ (Apuleius, Metamorphoses I 1,6) (Weeber, S. 8), mögen diese Gedanken zur Problematik einer Definition des Begriffs „Schimpfwort“ an dieser Stelle genügen. 

Weeber versucht auf knappem Raum (128 S.) in 10 Kapiteln den Leserinnen und Lesern die wichtigsten Informationen mit zahlreichen Sprachbeispielen zu vermitteln. Den Titel des ersten Kapitels hat Weeber folgendermaßen formuliert: Vollpfosten, Schnarchliesen, aufgewärmte alte Knacker. Eine lateinische Schimpfwortkunde (9-24). Wie verbreitet der Gebrauch von Schimpfwörtern gewesen sein muss beweist die Tatsache, dass die Römer zahlreiche Begriffe für dieses sprachliche Phänomen verwendeten. Weeber nennt solche Lexeme auf den Seiten 10 und 11. Maledictum (Schmähung, Beleidigung) wurde häufig benutzt, convicium ist ein „Schimpfwort, das sich mit viel Geschrei und Zank verbindet“ (10), während man sich der Wörter probrum und opprobrium (beschimpfender Vorwurf) bediente, um auf einen konkreten Sachverhalt anzuspielen. Weeber führt des weiteren Begriffe wie contumelia (Schmach) und iniuria (Unrecht) an. Wenn jemand gleich mehrere Schimpfwörter gebrauchte, um über sein Gegenüber herzufallen, sprachen die Römer von impetus (Schimpfwort-Kanonade, 10). Falls die Positivform eines Adjektivs dem Redner zu gering erschien, verwendete er gerne auch den Superlativ/Elativ. Wenn spurcus (unflätig) nicht genügte, konnte spurcissimus (extrem schweinisch) die Attacke verstärken (10).

Eine sehr reiche Quelle für Schimpfwörter bieten die Komödien des Plautus, vor allem der Pseudolus und der Persa. Ein Auszug aus der zuerst genannten Komödie zeigt die große Vielfalt von Schimpfwörtern, die Plautus in den Gesprächen einbaut (11-13). Folgende drei Beispiele mögen dies belegen, jeweils im Vokativ: Sceleste (Verbrecher), legerupa (Gesetzesbrecher), fugitive (Drückeberger). Im weiteren Verlauf des Kapitels nennt und erläutert Weeber einige Bereiche, aus denen die Römer gerne ihre Schimpfwörter geschöpft haben. So bietet das Tierreich eine reiche Quelle. Beispielsweise verwendeten die Römer häufig das Schimpfwort canis (Hund/Hündin). Weeber belässt es nicht bei der Nennung des Begriffs, sondern liefert einige interessante Erläuterungen, damit der heutige Leser/die heutige Leserin das Schimpfwort besser einordnen kann. So verfährt Weeber auch in anderen Fällen. Weitere Bereiche, die eine Fundgrube für Schimpfwörter darstellen, sind etwa die Natur, der Mensch (vetula (alte Schachtel) oder decrepitus (abgeklapperter Tattergreis)), sexuelle ‚Perversionen‘ (impudicus (Lustmolch)), charakterliche Mängel (petulans (unverschämt)), das übermäßige Streben nach Reichtum und Besitz (avarus (Geizkragen) und vieles mehr.

Im zweiten Kapitel wendet sich Weeber dem politischen Bereich zu. Das Kapitel lautet: Du Verbrecher, Du Seuche, Du Schandfleck. Hatespeech in der Politik (25-49). Römische Redner nahmen in ihren Ansprachen kein Blatt vor den Mund und gingen zuweilen rücksichtslos gegen ihre Kontrahenten vor, ob vor Gericht, im Senat oder in der Volksversammlung. Weeber liefert einige Textbeispiele aus den Reden Ciceros und aus dem Werk des Sallust. Neben Marcus Antonius war Lucius Calpurnius Piso einer der ärgsten Widersacher des römischen Redners aus Arpinum, da er Ciceros Rückkehr aus der Verbannung hintertreiben wollte. In seiner gesamten Rede polemisiert Cicero gegen seinen Gegner, ja Feind: Quid enim illo inertius, quid sordidius, quid nequius, quid enervatius, quid stultius, quid abstrusius? – „Was gibt es für ein Subjekt, das fauler, dreckiger, nichtswürdiger, schlapper, dümmer und hinterhältiger sein könnte als dieser Kerl!“ (frg. 7, S. 29/30).

Ein weiteres interessantes Sprachfeld bieten die römischen Namen; Weeber erläutert die Bedeutung zahlreicher römischer Namen im dritten Kapitel: Dumme, Dicke, Schlappohren und Plattfüsse. Namen, die bezeichnen und zeichnen (50-58). Der berühmte Dichter der augusteischen Zeit Horaz hieß Quintus Horatius Flaccus, wobei das Cognomen ‚Schlappohr‘ bedeutet. In einem berühmten Prozess des Jahres 70 v. Chr. hielt Cicero Reden gegen den Statthalter auf Sizilien, Verres, das ‚Warzenschwein‘. Aufgrund seiner rhetorischen Glanzleistung in diesem Verfahren avancierte Cicero zum ersten Redner Roms. Der Redner, der erfolgreich sein wollte, musste bei der Wahl der Schimpfwörter versuchen, sein Publikum genau einzuschätzen, damit er nicht das Gegenteil von dem bewirkte, was er erreichen wollte. Weeber verweist auf eine wichtige Schrift Ciceros, nämlich de oratore, in der entscheidende Aspekte genannt werden, die berücksichtigt werden sollten (de orat. II 239). In den folgenden Kapiteln offeriert Weeber Hinweise auf Schimpfwörter, die auf Fluchtafeln zu finden sind (Kapitel 4: Macht ihn fertig, Dämonen! Aus der Welt der Fluchtafeln, 59-75), und auf solche, die diejenigen trafen, die es wagten, sich an einem öffentlichen Raum zu erleichtern (Kapitel 5: Cacator, cave malum. Warnung vor Wildpinkeln und Schlimmeres, 76-82). Das sechste Kapitel trägt den Titel: Der listige Chilon lehrte, leise zu furzen. Philosophische Latrinenparolen (83-86). Im siebten Kapitel stehen Schleudergeschosse im Vordergrund: Eicheln, die verletzen sollen. Schleudergeschosse als psychologische Kriegsführung (87-93). Die glandes, eichelförmige Bleigeschosse von 50 bis 70 Gramm, sollten die Gegner verunsichern und demoralisieren (87). Sie konnten aus großer Entfernung abgeschossen werden und Menschen empfindlich verletzen, sogar töten. Sie trugen entweder Symbole oder Sprüche, die sehr bösartig sein konnten. Einige dieser Schleudergeschosse sind erhalten, vor allem die aus dem Perusinischen Krieg (41/40 v. Chr.) weisen äußerst aggressive Sprüche auf. Das achte Kapitel widmet sich obszönen Schimpfwörtern: Futuere und co. Das lateinische F***-Wort und weiteres sexuelles Vokabular (94-104). Auf Graffiti in Pompeji geht Weeber im neunten Kapitel ein: Einblicke ins pralle Alltagsleben. Graffiti auf pompejanischen Wänden (105-117). Weeber leitet seine Gedanken mit einem selbstironischen ‚Spruch‘ ein, der dreimal überliefert wurde:

Admiror, paries, te non cecidisse ruinis,

            qui tot scriptorum taedia sustineas.

„Ich bewundere dich, Wand, dass du noch nicht zusammengebrochen bist, / die du doch das blöde Zeug so vieler Schreiber aushalten musst.“ (105)

Während viele Graffiti im Lauf der Zeit zerstört wurden, haben sich zahlreiche Beispiele in Pompeji und Herculaneum wegen des Vesuvausbruchs im Jahre 79 n. Chr. erhalten. Die viele Meter hohe Ascheschicht hat die Häuser bedeckt, bis Archäologen sie ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wissenschaftlich ausgruben. Weeber stellt verschiedene Typen von Graffiti vor, mit zahlreichen Textbeispielen, die man auch im Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL) nachlesen kann.

Im letzten und zehnten Kapitel liegt das Hauptaugenmerk auf den Carmina Priapea und auf der obszönen Hardcore-Poesie (118-123). Namenspate ist der Gott Priapus, dessen besonderes Merkmal ein erigierter Penis ist. Der Dichter Martial befasste sich thematisch mit dieser Gottheit in einigen Spottepigrammen. Ein anonymer Dichter des 2. Jahrhunderts n. Chr. hat ein ganzes Buch dem Gartengott Priapus gewidmet. Weeber hat einige Gedichte ausgewählt und mit Übersetzung abdrucken lassen.

Insgesamt bietet Weeber eine kurzweilige Lektüre für Leserinnen und Leser, die sich mit polemischen Ausdrücken/Lexemen in der Antike befassen möchten. Die Römer haben nicht nur große Dichter wie Horaz, Ovid und Vergil hervorgebracht, sondern auch Autoren und anonyme Verfasser von Texten, in denen zahlreiche Schimpfwörter die damaligen Zuhörer möglicherweise fasziniert haben. Ob eine Lehrkraft die Thematik im Unterricht behandelt, muss jede Lehrerin/jeder Lehrer selbst entscheiden.

Dietmar Schmitz